- Nacktheit -
- [ Drahtseiltaenzerin ♥ ]
- 15. Mai 2018
- 3 Min. Lesezeit

Sich entblößen ohne sich auszuziehen. Nackt sein.
So fühlten sich meine ersten Sitzungen beim Therapeuten an. Man öffnet sich, gibt sein Innerstes preis und legt seine Verletzlichkeit dar. Man fühlt sich wirklich nackt, egal wie viel Kleidung man trägt, aber wenn man den für sich passenden Therapeuten gefunden hat, dann ist es nach einer Weile gar nicht mehr so schlimm. Man hat das Gefühl, dass sein Gegenüber mit Worten, Einfühlsamkeit und Verständnis eine weiche, warme Decke um das geschundene, verängstigte und nackte Wesen, welches man in sich trägt, legt. Man baut eine "Beziehung" auf und beginnt sich wohl zu fühlen. Eine gute Therapeut-Patient-Beziehung ist ein wichtiges Fundament für eine erfolgreiche Therapie. Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr etliche Psychologen kennengelernt, aber erst mit 20 Jahren den richtigen gefunden. Bei ihm hab ich mich von Anfang an wohlgefühlt.
Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist sich zu öffnen, geschweige denn sich professionelle Hilfe zu suchen. Der Gedanke daran, sich preis zu geben und sich dieser schonungslosen "Nacktheit" auszusetzen, sowie der Gedanke daran all das Negative, all das Unverarbeitete hoch zu holen und erneut erleben zu müssen, lässt viele zurückschrecken.
Auch die Einstellung "Mir kann sowieso keiner helfen" entmutigt viele Menschen den Schritt zum Psychologen zu gehen. Dabei hat die Psychotherapie schon so vielen Menschen geholfen - so auch mir.
Es ist keine Schande und kein Zeichen von Schwäche sich Hilfe zu holen!
Natürlich ist es ein sehr langwieriger Prozess und man keine sofortige Verbesserung erwarten, aber man darf niemals das Ziel aus den Augen verlieren: wieder (normal) leben können!
Diese Ziel treibt mich an. Ich selbst habe nach meinem letzten Abbruch zwei Jahre gebraucht um mich wieder auf eine neue Therapie einzulassen, aber ich habe es nicht bereut. Ich bin einen - nein - mehrere bedeutende Schritte weiter gekommen in meinem Leben und alles fing mit dem erste Schritt zum Psychologen an.
Nach einer schweren depressiven Phase und zwei Wochen Arbeitsausfall und stetigem Leistungsabfall wusste ich, dass ich alleine nicht mehr auf die Beine kommen würde und telefonierte 4-5 Therapeuten ab. Von ihnen meldete sich nur einer und zwei Wochen später hatte ich meinen Termin. Wie dieser ablief und was an diesem alles verändernden Tag vor zwei Jahren passierte erzähle ich in einem anderen Beitrag.
Seitdem bin ich nun in Gesprächstherapie und mache nach wie vor gute Fortschritte. Mittlerweile fühle ich mich nicht mehr so nackt wie zu Anfang, aber es ist dennoch nicht immer einfach und keine Sitzung ist wie die andere. Es gibt Tage, da komme ich völlig verheult aus der Gesprächsstunde und es gibt Sitzungen aus denen gehe ich entspannt und mit neuer Kraft - so wie heute:
Heute hatte ich eine sehr entspannte Stunde. Wir haben über meine Medikamente gesprochen und wie ich mit ihnen zurecht komme, über meinen Blog, meinen Bruder und meine Gedankenkontrolltechniken. (Hierzu komme ich nochmal im Detail im Zuge des Beitrages zu den Bewältigungsmechanismen bei einer Angst- und Panikstörung)
Fazit der Stunde war, dass es gut aussieht, die Medikamente nicht wechseln zu müssen (was am Ende trotzdem nur ich und die Psychiaterin entscheiden können), das ich - im Gegensatz zum letzten Mal vor drei Wochen - einen positiv veränderten Eindruck und sehr große Fortschritte mache.
Für heute hab ich es wieder geschafft und meine gute Laune hielt den ganzen Tag an. Ich wünsche mir sehr, dass es so bleibt, denn die letzte, von Nebenwirkungen durchzogene Woche war sehr nervenaufreibend - aber ich bin guter Dinge.
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